"Mordbahnhof" Holzwickede

27.12.2017

 "Mordbahnhof" Holzwickede, das ist kein neuer Kriminalroman,

sondern der Begriff taucht im Dezember vor 130 Jahren im Protokoll des Opherdicker (Ortsteil von Holzwickede) Gemeinderats auf. Im Streit mit der Gemeinde Holzwickede um den Standort eines zu bildenden Standesamtsbezirks wird der damals offenbar teilweise öffentlich benutzte Name als Argument gegen den Sitz des Standesamtes in Holzwickede eingebracht.

In der Tat ist der Bahnhof damals ein gefährliches Pflaster gewesen. Über den Todesfall der jungen Opherdicker Lehrerin Koberg ein Jahr zuvor ist im Zeitungsarchiv der Tremonia (heute Ruhr-Nachrichten) nachzulesen. Diese Zustände waren offenbar auch der Grund für den Bau der eisernen Fußgängerbrücke und später der Untertunnelung der Bahntrasse durch die Nordstraße (1911). Sogar im preußischen Landtag waren die Zustände auf dem Bahnhof ein Thema. "In den letzten Jahren sind allein 4 Personen dort todt gefahren worden, so daß dieser Bahnhof schon im Munde des Volkes den Namen der Mordbahnhof bekommen hat.", so der Abgeordnete Freiherr von Schorlemer-Ulst am 20. Februar 1886.

 


1. Carl August Neuwerth von der Landskrone, 15 Jahre, 7 Monate, 2 Tage, verstorben am 24.11.1874, Todesursache: Eisenbahnzusammenstoß in Holzwickede

2. Wilhelm Steinweg, Schreiner, Holzwickede, 24 Jahre alt, verstorben 26.10.1879, Unglück mit der Eisenbahn

3. Diedrich Heinrich Friedrich Lechtenbeck, Bergmann, Rausingen, 54 Jahre, verstorben 03.03.1882, auf der Bahn verunglückt

4. Auguste Schulte, Näherin, Rausingen, 20 Jahre, verstorben 05.04.1883, auf der Bahn verunglückt am 04.04.1883

5. Georg Fürstenberg, 03.12.1842 in Pillkallen/Ostpreußen, Arbeiter zu Düsseldorf starb am 02.09.1875 in Holzwickede. Als Todesursache ist vermerkt "von der Eisenbahn überfahren".

War der Herr auf der Durchreise, ist er vom Bahnsteig gestürzt??

6. Wilhelm Nagel, Rottenarbeiter geb. 22.08.1879 in Hz-Hengsen, verstorben am 18.08.1899 im Bahnhof von einem Zug überfahren

7. Heinrich Trottenberg, Schaffner geb. 14.07.1879 in Kamen verstorben am 07.07.1899 verunglückt beim Rangieren im Bahnhof

8. Friedrich Rafael Kutscher, geb. 25.12.1865 Dombrowsken/Ostpreußen, verstorben 22.11.1895 durch Scheuen des Pferdes am Bahnhof verunglückt (vermutlich durch Geraüsche vom Bahnbetrieb)

9.Peter Heinrich Schleef, Bergmann, geb. 14.08.1818 in Spenge, verstorben 15.03.1888 beim Überqueren des bahnübergangs

10. Heinrich Ringholt, genannt Rabe, Hilfsbeamter, verunglückt mit 23 1/2 Jahren beim Fahren auf der Eisenbahn

11. Arnold Droste, Berarbeiter, geb. 10.08.1852 in Unna-Afferde, verstorben am 17.08. 1894, "wurde auf dem Betriebsgleis der Zeche Freiberg vom Zug überrollt"

12. Heinrich Meinert, Bahnarbeiter, geb. 01.03.1846, verstorben 24.11.1891  "vom Eisenbahnzug vor dem Tunnel zwischen Holzwickede und Schwerte überfahren".

 

 

Diese Unfälle wurden von Herrn Michael Arnold in den ev. Kirchenbüchern der Kirchengemeinde Opherdicke gefunden

 

Der Streit um den Sitz des Standesamts wurde damals übrigens einige Monate später "salomonisch" dadurch geschlichtet, dass sowohl Opherdicke als auch Holzwickede jeweils Sitz eines Standesamtsbezirks wurden.


 

Bild zur Meldung: "Mordbahnhof" Holzwickede